In der Zusammenarbeit mit Kunden oder Geschäftspartnern aus anderen Kulturkreisen denken wir oft, wir könnten genauso arbeiten wie mit Menschen aus unserer eigenen Kultur. Wir übersehen gerne die kleinen (und großen) kulturellen Unterschiede und erkennen sie meist erst, wenn sie zu Problemen und Missverständnissen führen.
Ein Zitat von Trompenaars und Hampden-Turner, das die Bedeutung der Kultur unterstreicht, lautet wie folgt:
"Ein Fisch entdeckt sein Bedürfnis nach Wasser erst, wenn er nicht mehr im Wasser ist. Unsere eigene Kultur ist wie Wasser für einen Fisch. Sie hält uns am Leben. Wir leben und atmen durch sie." [1]
In diesem Beitrag geht es um folgende Themen:
Was Kultur ist und warum sie für eine Lieferkette unerlässlich ist
Verschiedene Kulturmodelle
Erin Meyer's 8 Skalen-Modell
Die wichtigsten Schlussfolgerungen
Was haben kulturelle Unterschiede mit Ihrer Lieferkette zu tun?
Das Center for Advanced Research on Language Acquisition definiert Kultur als die gemeinsamen Muster von Verhaltensweisen und Interaktionen, kognitiven Konstrukten und affektivem Verständnis, die durch einen Sozialisationsprozess erlernt werden. Diese gemeinsamen Muster kennzeichnen die Mitglieder einer Kulturgruppe und grenzen sie gleichzeitig von denen einer anderen Gruppe ab [2].
In der heutigen globalen Welt ist es unerlässlich, sich der kulturellen Unterschiede bewusst zu sein, insbesondere bei der Interaktion zwischen Geschäftspartner:innen.
Auch die Aktivitäten der Lieferantenentwicklung umfassen viele verschiedene Aspekte der Interaktion zwischen Menschen.
Diese Aspekte reichen von der Kommunikation, die bei fast jeder Interaktion eine wesentliche Rolle spielt, über das Geben von Feedback, das Führen einer Gruppe von Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, gegenseitiges Vertrauen bis hin zu vermeintlich einfacheren Dingen wie der Terminplanung.
Wenn Sie sich der Unterschiede entlang dieser Dimensionen bewusst sind, können Sie die Art und Weise, wie Teammitglieder interagieren und sich gegenseitig wahrnehmen erheblich verbessern.
Forscher wie Geert Hofstede und Erin Meyer haben ein Modell entwickelt, das auf Skalen basiert, um Kulturen zu vergleichen.
Kulturelle Modelle
Es gibt eine Vielzahl von Modellen, um Kulturen zu vergleichen. Im Rahmen dieses Blogs werden wir einen kurzen Blick auf das Modell von Geert Hofstede werfen, aber etwas tiefer in das Modell von Erin Meyer eintauchen.
Hofstede versucht, die kulturellen Unterschiede zwischen modernen Nationen anhand von Dimensionen zu verstehen, die unterschiedliche Antworten auf universelle Probleme der menschlichen Gesellschaften darstellen.
Meyer hingegen konzentriert sich mehr auf die Interaktionen zwischen Individuen, was ein entscheidender Faktor für das effektive Funktionieren von Teams ist, was natürlich bei der Arbeit in einer internationalen Lieferkette sehr wichtig ist.
Die 6 Dimensionen laut Hofstede sind:
1. Machtdistanz
2. Individualismus vs. Kollektivismus
3. Maskulinität vs. Femininität
4. Unsicherheitsvermeidung
5. Langfristige vs. kurzfristige Orientierung
6. Nachsicht vs. Zurückhaltung
Erin Meyers 8 Skalen sind:
1. Kommunikation
2. Beurteilung
3. Überzeugung
4. Führung
5. Entscheidung
6. Vertrauen
7. Meinungsverschiedenheiten
8. Terminplanung
Erin Meyers 8-Skalen-Modell
Schauen wir uns jede der Skalen von Erin Meyer etwas genauer an. Wir besprechen jede Skala im Detail und schauen uns an, wo eine bestimmte Kultur auf dieser Skala steht. Dazu betrachten wir folgende Kulturen:
Kommunikation
Die beiden Enden des Kommunikationsspektrums sind kontextarm ("low context") und kontextreich ("high context").
Niedriger Kontext bedeutet, dass gute Kommunikation präzise, einfach und klar ist. Wiederholungen werden geschätzt, wenn sie zur Klarheit der Kommunikation beitragen.
Bei einer Kommunikation mit hohem Kontext wird hingegen eine anspruchsvolle, nuancierte und vielschichtige Kommunikation als gut angesehen. Botschaften müssen sowohl mündlich als auch schriftlich zwischen den Zeilen verstanden werden; daher werden sie oft angedeutet, aber nicht klar ausgedrückt [3].
Während die asiatischen Länder eher auf der rechten Seite stehen (High-Context), liegt Österreich eher in der Mitte und Deutschland eher auf der linken Seite (Low-Context).
Beurteilung
Die beiden Enden des Spektrums für die Bewertung sind direktes negatives Feedback und indirektes negatives Feedback.
Auf der einen Seite wird negatives Feedback offen, direkt, ehrlich und aufrichtig gegeben, steht für sich allein und wird nicht durch positives Feedback abgeschwächt. Bei der Kritik werden oft absolute Ausdrücke (z. B. "völlig unangemessen") verwendet, und die Kritik kann an eine Einzelperson vor einer Gruppe gerichtet sein.
Umgekehrt wird negatives Feedback leise, subtil und diplomatisch unter vier Augen geäußert und oft durch positives Feedback abgefedert [3]. Diese Skala zeigt wiederum einen deutlichen Unterschied zwischen den deutschsprachigen Ländern Deutschland und Österreich und den asiatischen Ländern.
Die deutschsprachigen Länder neigen dazu, direkteres Feedback zu geben als die asiatischen Länder, die sehr zurückhaltend Feedback geben.
Überzeugung
Die beiden Enden des Spektrums für Überzeugungsarbeit sind prinzipienorientiert und anwendungsorientiert.
Auf der prinzipienorientierten Seite werden Menschen dazu erzogen, mit Fakten, Aussagen oder Meinungen zu beginnen und erst später Konzepte zur Unterstützung der Schlussfolgerung hinzuzufügen. Am liebsten beginnt man eine Nachricht oder einen Bericht mit einer Zusammenfassung oder Aufzählung von Punkten und diskutiert dann praktisch und konkret [3].
Auf der Seite "Anwendungen zuerst" werden Personen dazu erzogen, eine Theorie oder ein Konzept zu entwickeln, bevor sie Fakten, Aussagen oder Meinungen präsentieren. Die bevorzugte Art, eine Nachricht oder einen Bericht zu beginnen, ist der Aufbau eines theoretischen Arguments, bevor man zu einer Schlussfolgerung übergeht [3].
Asiatische Kulturen haben ganzheitliche Denkmuster, die weder anwendungsorientiert noch prinzipienorientiert sind und daher nicht auf der Überzeugungsskala erscheinen [3].
Meyer erklärt, dass "applications-first" und "principles-first" nur auf westliche Umgebungen zutreffen.
Führung
Die beiden Enden des Spektrums für Führung sind egalitär und hierarchisch.
Egalitär steht für die Tatsache, dass zwischen einem Mitarbeiter und einem Vorgesetzten fast keine Distanz besteht. Der Chef ist ein Vermittler zwischen Gleichgestellten, die Unternehmensstrukturen sind flach, und die Kommunikation kann hierarchische Ebenen überspringen [3].
Im Gegensatz zum hierarchischen Modell, bei dem die Distanz zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem groß ist, ist der Chef ein starker Direktor, der von vorne führt, und die Organisationsstrukturen sind fest und vielschichtig mit einer klaren Kommunikationslinie [3].
Hier ist der Abstand zwischen der deutschsprachigen und der asiatischen Kultur nicht so groß wie auf anderen Skalen; tatsächlich sind sich beide Kulturen ähnlicher als auf jeder anderen Skala.
Entscheidung
Die beiden Enden des Spektrums der Entscheidungsfindung sind konsensual und top-down.
Konsensual bedeutet, dass Entscheidungen in Gruppen durch einstimmigen Beschluss getroffen werden, während Top-down bedeutet, dass Einzelpersonen, in der Regel der Chef, Entscheidungen treffen [3].
Dieses Diagramm ist recht uneinheitlich.
Japan befindet sich auf der linken Seite, gefolgt von Vietnam und Deutschland in der gleichen Position, während Österreich, Singapur, China und Thailand sich auf der rechten Seite des Spektrums bewegen.
Vertrauen
Die beiden Enden des Vertrauensspektrums sind aufgabenbezogen und beziehungsbezogen.
Vertrauen ist in einem geschäftlichen Umfeld unerlässlich, vor allem, wenn man über einen längeren Zeitraum hinweg miteinander arbeitet.
Deutsche, stärker als Österreicher, bauen Vertrauen auf der Grundlage von geschäftsorientierten Handlungen auf. Das bedeutet, dass man beständig gute Arbeit leistet und zuverlässig ist, weshalb man gerne miteinander arbeitet und einander vertraut.
Asiatische Kulturen bauen Vertrauen durch gemeinsame Mahlzeiten und abendliche Drinks auf; so bauen sich Beziehungen langsam und über lange Zeit auf [3]. Ich habe erfahren, wer Sie sind, und zwar auf einer tiefen Ebene; ich habe private Zeit mit Ihnen verbracht, ich kenne andere, die Ihnen vertrauen, und deshalb vertraue ich Ihnen.
Auch hier sind die deutschsprachigen Kulturen weit von den asiatischen Kulturen entfernt. Es ist klar, dass die Österreicher den Asiaten etwas ähnlicher sind als den Deutschen, aber das kann man auch als verbindendes Element beider Extreme zu seinem Vorteil nutzen.
Meinungsverschiedenheiten
Die beiden Enden des Spektrums für Meinungsverschiedenheiten sind konfrontativ und konfrontationsvermeidend.
Konfrontativ bedeutet, dass Meinungsverschiedenheiten und Debatten als positiv für das Team und die gesamte Organisation angesehen werden und sich nicht negativ auf die Beziehung auswirken.
Konfrontationsvermeidend bedeutet, dass Meinungsverschiedenheiten und Debatten als negativ für das Team und die Organisation angesehen werden, offene Konfrontation ist unangemessen und schadet der Gruppenharmonie und der Beziehung [3]. Auch hier ist ein massiver Unterschied zwischen deutschsprachigen und asiatischen Kulturen zu beobachten.
Terminplanung
Die beiden Enden des Spektrums für die Terminplanung sind die lineare Zeit und die flexible Zeit.
Bei der linearen Zeitplanung handelt es sich um einen sequenziellen Ansatz von Projektschritten, bei dem eine Aufgabe abgeschlossen wird, bevor die nächste begonnen wird. Es gibt keine Unterbrechungen und der Schwerpunkt liegt auf der Einhaltung der Frist und des Zeitplans; der Schwerpunkt liegt eher auf Pünktlichkeit und guter Organisation als auf Flexibilität [3].
Auf der anderen Seite des Spektrums werden die Projektschritte fließend angegangen, wobei die Aufgaben je nach Gelegenheit wechseln. Es werden mehrere Dinge gleichzeitig erledigt, und Unterbrechungen werden akzeptiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Anpassungsfähigkeit, und die Flexibilität wird höher eingeschätzt als die Organisation [3].
Diese Skala ist recht gemischt.
Japaner und Singapurer ähneln eher Österreichern und Deutschen, während andere asiatische Kulturen wie China, Vietnam und Thailand auf der anderen Seite des Spektrums liegen.
Unsere wichtigsten Erkenntnisse
Die kulturellen Unterschiede sind groß und reichen von der Übergabe einer Visitenkarte bis hin zu dem, was als Verspätung, Unhöflichkeit oder falsche Bescheidenheit gilt.
Wenn man sich einer neuen Kultur aussetzt, wird man Fehler machen, und das ist in Ordnung; Ihr Gegenüber wird Ihnen verzeihen.
Die wichtigsten Fähigkeiten sind Offenheit und die Bereitschaft zur Reflexion.
Wer Interesse und Offenheit zeigt, kann vorurteilsfrei mit fremden Verhaltensweisen umgehen, wenn er mit ihnen konfrontiert wird.
Seien Sie bereit, Ihr eigenes Verhalten und Ihren kulturellen Hintergrund zu hinterfragen – Wie wirken Ihre Handlungen und Worte auf andere?
Wenn Sie sich der Unterschiede bewusst sind, fällt es Ihnen leichter, auf sie zu reagieren.
Ein kurzer Blick auf die besprochenen Skalen kann natürlich auch sehr hilfreich sein.
Autor: Simon Föger
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Referenzen
[1] Trompenaars, F., & Hampden-Turner, C. (1997). Riding the Waves of Culture: Understanding Diversity in Global Business. Nicholas Brealey Publishing.
[3] Meyer, E. (2014). The Culture Map: Breaking Through the Invisible Boundaries of Global Business. PublicAffairs.
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